Erich Kästner sagte einst: "Wenn einer keine Angst hat,
dann hat er keine Phantasie." Ich sage: Wenn einer keine Angst oder Phobie
vor einer Zahnbehandlung hat, kann er sich nicht im Geringsten vorstellen, was
ein derart geplagter Mensch durchleidet. Im Allgemeinen hört man, dass nahezu
niemand "so richtig gern" zum Zahnarzt geht. Das interessiert einen
ANGSTI nun leider überhaupt nicht. Für ihn ist allein die Vorstellung von einem
Behandlungsstuhl schon Grund für erste negative Begleiterscheinungen. Und wäre
ich immer noch ANGSTI, würde ich diesen Beitrag erst gar nicht lesen. Das
gedruckte Wort ZAHNARZT wäre schon der pure Horror. Einmal gelesen, schon ginge
die Maschinerie los: fiese Gedanken, schwitzige Hände, hoher Puls. Bloß nicht
weiterlesen. Und darüber mit anderen Menschen reden? Undenkbar! Jedes
motivierende, tröstende oder aufbauende Wort meines Gegenübers wirkt wie die
Angst einflößende Spritze, die sich auf einen hinzu bewegt. Bloß weg hier,
bevor es piekst. Was heißt "piekst"? Hier geht es doch nicht um einen
Pieks, sondern um qualvollste, brutalste Schmerzen, die man wahrscheinlich eh
nicht aushalten kann und in Folge im Zahnarztstuhl kollabiert. Man gerät in
eine Endlosschleife voller widerwärtiger, lähmender Gedanken. Und die hören
niemals auf, wie ein personifiziertes schlechtes Gewissen, Tag für Tag an einem
zu nagen und kratzen. Es folgen kleine optimistische Ansätze. Wenn zum Beispiel
im Fernsehen live ein Angstpatient behandelt wird. Man möchte sofort in den
Bildschirm springen und sich vom lieben Herrn Jauch das Händchen halten lassen,
während eine nette Zahnärztin einen von Angst und Qual und, ach ja, von Karies
und Zahnstein befreit. Geht aber nicht. Und so schnellt in der nächsten
Werbepause beim Anblick einer Zahncremewerbung der Blutdruck auf 210 zu 170.
Nur, weil ein Zahnarzt ein silbriges Instrument in der Hand hält.
Ok, jeder weiß, es gibt gaaanz viele unterstützende
Therapien für Angstis. Oft gut für normale Angstis, meist angstbringend und
nicht vorstellbar für phobische Angstis.
Die enorm schwere Überwindung, die Schwelle der Tür zum
Dental-Meister zu übertreten, ist für mich ein Schlüssel von Vielen, das
unendlich scheinende Jammertal zu überwinden. Sicherlich: Der Zahnarzt kann die
Patienten nicht in die Praxis schleifen und viel wird getan, wenn es ums Thema
Öffentlichkeitsarbeit geht. Trotzdem: Es muss mehr getan werden!
Der Zahnarzt auf dem Stadtteilfest, der Zahnarzt im Betrieb,
der Zahnarzt an der Theke...Eine merkwürdige Vorstellung? Mitnichten! Auch
Zahnärzte gehen auf Stadtteilfeste, auch Theken werden von Zahnärzten besucht
und vielleicht hat jemand im Betrieb einen so "guten" Zahnarzt, dass
er diesen einmal für einen Plausch ins Unternehmen einladen kann. Ergo: Es geht
um erste Gespräche. Eine erste Annäherung an eine "Horrorzunft", die
sich bei näherer Betrachtung dann als Helfer oder Retter darstellt. Vielleicht
nur ein kleiner Schritt, aber man muss sich halt mühsam durchs Leben beißen...
PS: Dank an meinen Zahnarzt, der auch während eines
spätabendlichen Feuerwerks seine Zähne zeigt und hilfreiche Worte und Zeit für
Angstis hat...